Ein Denkmal erzählt Geschichte_Wohnhaus in der Gubener Wilke-Straße 1
Ende 2013 stehen die Familien Eckert (hier Vater Andreas Eckert und Tochter Antoinette Eckert) vor der Frage, ob Sie das Denkmalgeschützte Haus in der Gubener Wilke-Straße 1 kaufen und sanieren möchten.
Zunächst müssen die Bauherren nach dem Kauf die Geschichte des Hauses erkunden. Dieses ist insofern nicht ganz einfach, da das Stadtarchiv 1945 zerstört wurde, also weder der Architekt noch ausführende Baufirmen bekannt sind.
Die Breslacker Restauratorin Dr. Dorothee Schmidt-Breitung faßt in ihrer Restauratorischen Sondierung im Bereich der Fassade und des Treppenhauses (Frühjahr 2015) die Geschichte wie folgt zusammen:
Der Autorin lagen zum Zeitpunkt der Untersuchung leider nur sehr reduzierte Archivunterlagen bzw. Dokumente zur Baugeschichte des Hauses vor.
Rückfragen bei der betreuenden Denkmalpflegerin Frau Stonner ergaben, dass auch in der Unteren Denkmalschutzbehörde keine vertiefenden Unterlagen zum Gebäude vorhanden sind. Sie verwies allerdings auf die Dokumentation des Gebäudes im Rahmen einer denkmaltopographischen Erfassung: DENKMALE IN BRANDENBURG, Landkreis Spree-Neiße, Band 16.1, Wernersche Verlagsgesellschaft 2012.
Dort wird erwähnt, dass das Gebäude 1904 für die Eisenbahn- Verwaltung errichtet wurde.
…
Der Bauherr Andreas Eckert stellte der Autorin eine kurze Zusammenfassung des Gubener Historikers Gerhard Gunia zur Verfügung. Lediglich zwei Einträge im Gubener Adressbuch sind signifikant: Für das Jahr 1914 ist als Eigentümer der pensionierte Eisenbahn Wagenmeister G.
Bergenz mit 6 Familien bzw. Personen („Haushalte“) erwähnt.
Im Adressbuch von 1930 findet sich als Eigentümer der Eintrag des Zugschaffners G. Pönack mit 7 Familien bzw. Personen („Haushalte“). (Später wird A. Eckert immer wieder hören, daß das Haus einer Frau Schmidt gehörte, die als Verkaufsstellenleiterin des „Plattenladens“ zu lokaler Prominenz wurde).In der Sammlung Gunia findet sich ein schwarz-weiß-Foto aus der Erbauungszeit. Dieses zeigt das Gebäude noch mit der originalen Dachausprägung. Es befand sich jeweils ein Schweifgiebel in den äußeren Achsen des Gebäudes. Die Mittelachse war flacher ausgebildet und wurde unterhalb der hölzernen Traufe durch ein stuckiertes Ornamentband beendet. Dieses ist auch heute noch erhalten. Dass darüber befindliche Okuli wurde, wie auch die Schweifgiebel im Rahmen einer Dachsanierung (2. Hälfte des 20. Jahrhunderts) geschliffen (Vermutlich als Folge eines Dachbrandes in den 1980er Jahren). Heute zeigt das Dach liegende Dachfenster und eine adaptierte Schindeldeckung mit Dachpappe.
Die darunter anschließende Fassade ist fast noch vollständig aus der Bauzeit überkommen. Solch ein hoher Originalbestand ist sehr selten und bestätigt die Bedeutung des Gebäudes als Einzeldenkmal.
Das dreigeschossige Gebäude ist aufwendig durch verschiedene plastische Stuckaturen gestaltet. Auch die Putzflächen zeigen eine raffinierte Komposition zwischen Glatt- und strukturierten Bereichen. (Maurermeister Sebastian Freyer wird später herausfinden, daß es sich beim Strukturputz um einen sogenannten Weidenrutenputz handelt, bei dem mit einem Bündel Weidenruten weicher Putz durch Einstechen ausgezogen wird)
Bei den Stuckelementen wurden ebenfalls verschiedene Techniken und Materialien angewandt. So gibt es vorgefertigte Elemente die „nach Katalog“ ausgewählt und an die Fassade gebracht wurden. Daneben konnte aber auch freier Antragsstuck nachgewiesen werden.
Soweit das Gutachten als Grundlage der Sanierung.
Insgesamt 8 Jahre haben die Bauherren an der Sanierung gearbeitet, viele Arbeiten wurden durch Gubener Handwerksbetriebe ausgeführt, viele Arbeiten aber wurden in Eigenleistung erbracht. Allein 240 Fensterflügel waren von alten Farbanstrichen zu befreien, die vergangenen Holzteile auszutauschen, das Holz mit Leinöl zu imprägnieren und dann durch einen Auftrag mit reiner Leinölfarbe zu gestalten.
Es ist nicht möglich, jede Arbeit aufzuzählen – hier mag sich der geneigte Leser selbst ausmalen, wieviel Arbeit die Entfernung alter Lacke von 30 Türen, dem gesamten Treppenhaus, den Fußböden in 30 Räumen, dem Schleifen und der malermäßigen Aufbereitung all dieser Holzteile machte.
Heute verbergen sich hinter der Fassade vier Wohnungen, die allesamt von Mitgliedern der Familie bewohnt und genutzt werden. Das Dachgeschoss hat sich der Autor zu einem Fotoatelier ausgebaut, in dem er seiner Kreativität nachgehen kann.
Im Treppenhaus findet sich ein Teil (derzeit etwa 100 Arbeiten) der „Galerie Gubener Meister“.
Seit über 40 Jahren betreut Andreas Eckert die Galerie im Wilke-Stift, in dieser Zeit hat er eine umfangreiche Sammlung mit etwa 500 Werken Gubener Künstlerinnen und Künstler zusammengetragen (Stand Juni 2023), die er jetzt auch öffentlich machen will.
Leider haben Einbrüche und Diebstähle im Haus dazu geführt, die angedachte öffentliche Zugänglichkeit des Treppenhauses zu verwerfen. So laden die Hauseigentümer Interessierte ein, sich über die Internetseite www.kunsthaus-guben.de zu einer Führung durch die Bildersammlung zu verabreden.